Nicht „billig“, sondern passgenau hochwertig und hierdurch „preiswert“. Dies bietet dem Maschinen- und Anlagenbau nicht nur Möglichkeiten für neue, sondern auch für etablierte Märkte.
Eine neue Studie der IMPULS-Stiftung des VDMA hat untersucht, wie mit Frugalen Innovationen so etwas wie das perfekte Preis-Leistungs-Verhältnis gelingen kann.
Frugales Denken ist zunächst einmal eine große Herausforderung. So hat eine aktuelle Untersuchung der University of Virginia den „Additive Bias“ untersucht; der menschlichen Tenzdenz, Herausforderungen eher durch Ergänzungen zu begegnen als durch Weglassen. Ergebnis: Bei den mehr als 1.000 Testpersonen aus den USA, Deutschland und Japan zeigte sich, dass Aufgaben vor allem durch das Hinzufügen von Elementen gelöst werden, selbst dann, wenn Wegnehmen effizienter oder Hinzufügen teurer war. Bewältigt wurden konnte dieser Bias nur durch explizite Hinweise und Trainings.
Fußend auf diesen Erkenntnissen zu frugalem Denken stellten im Web-Erfa „Frugale Innovationen im Maschinen- und Anlagenbau“ die Autoren Liza Wohlfart, Kevin Klöpfer und Raphael Hägle der Fraunhofer-Institute IAO und IPA die wichtigsten Ergebnisse der oben genannte IMPULS-Studie des VDMA vor. Die Relevanz frugaler Innovationen für die hiesigen Maschinenbauer wurde dabei anhand folgender ermittelter Daten verdeutlicht: 33 % der europäischen Kunden nutzen mehr als 30 % der zur Verfügung stehenden Maschinenfunktionen nicht. 68 % der chinesischen Kunden nutzen mehr als 30 % der zur Verfügung stehenden Maschinenfunktionalität nicht. Frugale Produkte böten hier eine Lösung, so die Referenten. Diese müssten folgende Eigenschaften aufweisen: Bezogen auf die Funktionalität fokussiert auf Kern- und Hauptfunktionen, in der Leistungsfähigkeit abgestimmt auf den Anwendungsfall, hoch in den Kernfunktionen, aber ohne Überdimensionierung. Vom Preis erschwinglich für die Zielkunden, aber dennoch qualitativ hochwertig, robust und mit hoher Lebensdauer. Hinsichtlich der Bedienbarkeit ist eine einfache Nutzung vorausgesetzt. Als Beispiel wurde der Mähdrescher Crop Tiger von CLAAS genannt. Wie die Referenten weiter ausführten, erwartet der Maschinenbau auch eine steigende Nachfrage nach einfachen und günstigen Qualitätsprodukten. Basierend auf Experteninterviews seien dabei hauptsächlich ökonomische Motive ausschlaggebend für die Realisierung frugaler Produkte, die da wären Festigung der Marktposition, Preisdruck und Erschließung neuer Kunden- bzw. Marktsegmente. Deshalb habe die Hälfte der befragten Unternehmen bereits frugale Produkte im Portfolio und ein Viertel plane dies zu tun. Ein Viertel habe dies jedoch nicht vor.
Nach der Präsentation dieser grundlegenden Studienergebnisse schloss sich eine interaktive Übung für die Teilnehmer an. Die Aufgabe bestand in der Definition von Eigenschaften und Funktionen, die ein PKW für den aufstrebenden indischen Schwellenmarkt erfüllen müsste. Hier zeigte sich eine sehr hohe Übereinstimmung in den Angaben der Teilnehmer. Die beschriebenen Anforderungen entsprechen – so die Auflösung der Übung – dem Renault Kwid, der 2015 auf dem indischen Markt eingeführt wurde und schon weniger als zwei Jahre später auf 150.000 verkaufte Modelle in Indien kam. Als in dieser Beziehung gescheiterte Markteinführung wurde der Tata Nana genannt, dessen Produktion gestoppt wurde.
Die wichtigsten Erkenntnisse bei der Umsetzung frugaler Innovationen – wie beispielsweise dem PKW für den indischen Markt – sind: Frugale Lösungen nehmen vornehmlich Kunde und Markt als Grundlage, nicht eine potenziell nutzenstiftende technische Innovation.
Zum Abschluss der Veranstaltung wurde der Frugal Innovation Index vorgestellt, der Unternehmen dabei unterstützt, die eigene Innovationsfähigkeit im Hinblick frugaler Lösungen im Sinne einfacher Qualitätsprodukte zu messen, zu bewerten und zu steigern. Das Instrument sensibilisiert für wichtige Stellhebel zur Förderung frugaler Ansätze und liefert Hinweise auf mögliche Handlungsoptionen. Der Index wird zur Verfügung gestellt durch das Zentrum für Fugale Produkte und Produktionssysteme ZFP der Fraunhofer Institute IAO und IPA.
Weitere Informationen
- Studie der IMPULS-Stiftung des VDMA
- IMPULS-Studie »Neue Märkte für den Maschinen- und Anlagenbau durch frugale Innovation« – Fraunhofer IPA
Veranstalter
Die Veranstaltung wurde von ProduktionNRW angeboten. ProduktionNRW ist das Cluster des Maschinenbaus und der Produktionstechnik in Nordrhein-Westfalen und wird vom VDMA NRW durchgeführt. ProduktionNRW versteht sich als Plattform, um Unternehmen, Institutionen und Netzwerke untereinander und entlang der Wertschöpfungskette zu vernetzen, zu informieren und zu vermarkten. Wesentliche Teile der Leistungen, die ProduktionNRW erbringt, werden aus Mitteln des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.