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Rechtliche Fragen zu Lieferstörungen und Kostenentwicklungen

Exporte aus dem Maschinen- und Anlagenbau erreichen trotz Versorgungsengpässen beinahe wieder das Vorkrisenniveau – der Auftragseingang ist weiterhin auf einem außergewöhnlich hohen Niveau. Wie schnell die Aufträge abgearbeitet werden können, ist auf Grundlage der anhaltenden Versorgungsengpässe schwer abschätzbar. Viele Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau stellen die anhaltenden Probleme in der Lieferkette und die damit einhergehenden Kostensteigerungen vor große Herausforderungen.

ProduktionNRW hat am 15. Februar 2022 einen virtuellen Erfahrungsaustausch für den Maschinen- und Anlagenbau in NRW organisiert, um den Umgang mit Lieferstörungen aus einkaufsspezifischer und rechtlicher Sicht einzuordnen. Ziel der Veranstaltung war es zudem, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine Plattform anzubieten, sich untereinander über mögliche Lösungsansätze auszutauschen.

Beschaffungsmärkte: Lage und Handlungsoptionen

Michael Wolf, Referent der VDMA Business Advisory, thematisierte in seinem Impulsvortrag die aktuellen Herausforderungen und Gestaltungsoptionen im Einkaufsmanagement und lieferte damit eine Diskussionsgrundlage für die Veranstaltung. Für den Maschinen- und Anlagenbau zählen vor allem Produktionsverzögerungen durch Materialknappheit zu den zentralen Herausforderungen. Diese Reibungen in der Lieferkette sind in Erholungsphasen nach einem plötzlichen Nachfrageeinbruch nicht ungewöhnlich. Zurzeit nehmen die Versorgungsengpässe und Kostensteigerung aber außergewöhnliche Ausmaße an. Besonders problematisch ist es zurzeit bei Elektrotechnik/ Elektronikkomponenten, Metallen und Kunststoffen. Die Ursache hinter der Materialknappheit ist nicht nur auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, sondern hat vielfältige Ursachen bis hin zu substanziellen Kapazitätsengpässen etwa im Halbleiterbereich.

Kurzfristige Lösungsansätze, wie die Suche nach versteckten Beständen beim Kunden und/oder Lieferanten, sind immer seltener von Erfolg gekrönt. Langfristige Maßnahmen beziehen sich unter anderem auf die Gleichteilestrategie, einen verbindlichen Forecast oder die Vertragsgestaltung. Eine besondere Herausforderung für die Unternehmen stellt zudem die volatile Preisentwicklung beim Lieferanten und die konstante Preisbindung gegenüber den eigenen Kunden dar. In diesem Zusammenhang sollte versucht werden, mehr Kongruenz im Hinblick auf Laufzeiten und Bedarf herzustellen.

Umgang mit Lieferstörungen aus rechtlicher Sicht

Volker Herrmann, Rechtsanwalt bei Orth Kluth, ging in seinem Impulsvortrag auf die juristische Betrachtung der gegenwärtigen Lieferstörungen ein. Anhand eines Fallbeispiels wurden unterschiedliche gesetzliche und vertragliche Regelungen betrachtet und analysiert.
Sollte sich beispielsweise der Lieferant bei Störungen in der Lieferkette auf „höhere Gewalt“ beziehen, ist der Vertrag zunächst auf die Existenz einer entsprechenden Force-Majeure-Klausel, deren Voraussetzungen und Rechtsfolgen zu prüfen. Dem deutschen Recht ist der Bezug auf „höhere Gewalt“ eigentlich fremd – eine Ausnahme stellt etwa das Reiserecht dar. Höhere-Gewalt-Klausel können aber in einen Vertrag mit einem Lieferanten aufgenommen werden, erfordern dann aber eine genaue Definition der Anforderungen und Folgen.

Obwohl Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau gegenüber ihren Lieferanten oft das Recht auf ihrer Seite haben dürften, ist zu empfehlen, in der aktuellen Situation mit dem Lieferanten eine einvernehmliche Lösung zu finden. Oftmals sind langjährige und erprobte Vertragsbeziehungen betroffen – die im juristischen Streitfall gegebenenfalls brechen könnten. Trotzdem sollte versucht werden, Preiserhöhungen oder Lieferverschiebungen temporär zu begrenzen sowie transparent zu gestalten und sie regelmäßig zu überprüfen. Im Zweifelfall sollte nur unter Vorbehalt gezahlt werden.

In der abschließenden Diskussionsrunde wurde die Höhere-Gewalt-Klausel, die Verankerung von Preisgleitklauseln und – anhand eines konkreten Beispiels aus dem Teilnehmerkreis – die einseitige Anpassung der Lieferbedingungen thematisiert. Die Veranstaltung hat verdeutlicht, dass sich der Maschinen- und Anlagenbau in NRW weiterhin mit Problemen in der Lieferkette und Kostensteigerungen konfrontiert sieht – eine juristische Prüfung der eigenen Verträge kann die aktuelle Situation gegebenenfalls entlasten.

Veranstalter

Die Veranstaltung wurde von ProduktionNRW angeboten. ProduktionNRW ist das Kompetenznetz des Maschinenbaus und der Produktionstechnik in Nordrhein-Westfalen und wird vom VDMA NRW durchgeführt. ProduktionNRW versteht sich als Plattform, um Unternehmen, Institutionen und Netzwerke untereinander und entlang der Wertschöpfungskette zu vernetzen, zu informieren und zu vermarkten. Wesentliche Teile der Leistungen, die ProduktionNRW erbringt, werden aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.