Die neue SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung nimmt viele pandemiebedingte Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz zurück. Auch in der Rechtsprechung wurden zudem Urteile in hoher Instanz entschieden.
Seit dem 19. März 2022 hat die Bundesregierung eine Vielzahl der Coronaregelungen geändert. Der Gesetzgeber hat damit auf das geänderte Infektionsgeschehen und die Möglichkeiten, mit dem Coronavirus umzugehen, reagiert. Damit einhergehend beinhaltet die neue Fassung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung neue Vorgaben zum betrieblichen Infektionsschutz. Auch auf Seiten der Rechtsprechung haben unterschiedliche Gerichte Urteile mit teilweise weitreichenden Folgen getroffen.
Am 31. März 2022 hat ProdktionNRW eine virtuelle Informationsveranstaltung zu den Änderungen der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung und eine Übersicht der aktuellen Rechtsprechung im Arbeitsrecht durchgeführt.
Neue Maßnahmen zum betrieblichen Gesundheitsschutz
Fabian Seus, Referent der VDMA Rechtsabteilung, beleuchtete zunächst die Änderungen der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung. Diese enthält laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales die erforderlichen Maßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz. Demnach hat der Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung festzulegen und diese in einem betrieblichen Hygienekonzept darzustellen. Basisschutzmaßnahmen am Arbeitsplatz werden nicht mehr in der Arbeitsschutzverordnung vorgeschrieben, sondern als beispielhafte Maßnahmen aufgegriffen. Diese Maßnahmen beziehen sich etwa auf die Einhaltung des Mindestabstands oder der Verminderung von betrieblichen Personenkontakte durch technische oder organisatorische Möglichkeiten.
Aus der neuen Arbeitsschutzverordnung lassen sich einige Fragen ableiten, die in der Verordnung unbeantwortet bleiben. Beispielsweise kann der Arbeitgeber weiterhin ein 3G-Modell am Arbeitsplatz einführen – etwa auf Grundlage des Hausrechts oder als Maßnahme zum Schutz der Belegschaft. Allerdings hat das Unternehmen wenig Möglichkeiten, die 3G-Regelung auch durchzusetzen, sollte sich eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter gegen die Vorgabe widersetzen. Im vorherigen Infektionsschutzgesetz waren Möglichkeiten wie Lohnentfall eindeutig geregelt.
In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass viele Unternehmen die bisherigen betrieblichen Maßnahmen zum Infektionsschutz vorerst aufrechterhalten. Teilweise erhalten die Betriebe für die Maßnahmen wenig Verständnis aus der eigenen Belegschaft, da in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens viele Maßnahmen komplett entfallen. Einzelne Maßnahmen können zwar über eine Betriebsvereinbarung für das Unternehmen festgelegt werden, diese sollten sich aber am Prinzip der Verhältnismäßigkeit orientieren. Auch sind alle persönlichen Daten rund um den Impf- und Genesenenstatus für das 3G-Modell zu löschen, selbst wenn diese im Fall einer Quarantäne erneut zu erheben sind. Generell gilt: Die legale Erhebung von persönlichen Daten darf nicht zweckentfremdet für andere Sachzusammenhänge im Unternehmen genutzt werden.
Aktuelle Urteile zum Arbeitsrecht
Dr. Christian Hess, Referent der VDMA Rechtsabteilung, ging anschließend auf arbeitsrechtliche Urteile im Zusammenhang der Pandemie ein. In den letzten Monaten haben sich unterschiedliche Gerichte in Deutschland mit den Coronamaßnahmen, aber auch mit anderen Bereichen, beschäftigt.
Beispielsweise hat das Bundesarbeitsgericht am 8. September 2021 (5 AZR 149/21) ein Urteil zum Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung getroffen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist bisher nahezu unantastbar von Seiten des Unternehmens. Das Urteil besagt folgendes: sofern eine angestellte Person kündigt und eine bescheinigte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Dauer des Kündigungszeitraums einreicht, kann das Unternehmen deren Beweiskraft anzweifeln. Der Grund dafür liegt in der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst. Eine Veranstaltungsteilnehmerin ist im eigenen Unternehmen mit genau diesem Fall konfrontiert. Mit diesem Urteil steht der Person in diesem Zusammenhang eine aussichtsreiche, juristische Argumentationsgrundlage zur Verfügung.
Die abschließende Diskussion griff vor allem den Kündigungsschutz in der Probezeit auf. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs hat am 10. Februar 2022 (Az. C-485/20 HR Rail) zur Kündigung von Angestellten mit Schwerbehinderung in der Probezeit geurteilt. Aufbauend auf das Urteil wurde diskutiert, wie mit einer Schwangerschaft in der Probezeit umzugehen ist. Der Teilnehmerkreis verwies darauf, dass der Mutterschutz besonders geschützt ist und eine Verlängerung der Probezeit nach der Schwangerschaft eine umstrittene Maßnahme darstellt. Der thematische Austausch zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern verdeutlichte das umfängliche Interesse im nordrhein-westfälischen Maschinen- und Anlagenbau an der arbeitsrechtlichen Informationsveranstaltung.
Weitere Informationen
- FAQ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
- Handlungsempfehlungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
- SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregeln
Veranstalter
Die Veranstaltung wurde von ProduktionNRW angeboten. ProduktionNRW ist das Kompetenznetz des Maschinenbaus und der Produktionstechnik in Nordrhein-Westfalen und wird vom VDMA NRW durchgeführt. ProduktionNRW versteht sich als Plattform, um Unternehmen, Institutionen und Netzwerke untereinander und entlang der Wertschöpfungskette zu vernetzen, zu informieren und zu vermarkten. Wesentliche Teile der Leistungen, die ProduktionNRW erbringt, werden aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.