Der Fachkräftemangel, die Steigerung der Innovationskraft und die Weitergabe von Know-how und Tradition sind nur einige Gründe, warum neue Ansätze in der Azubi-Nachwuchsgewinnung notwendig sind.
Deutschland zählt zu den führenden Industrieländern, doch viele Industriebetriebe kämpfen zunehmend mit einem Mangel an Nachwuchskräften – auch im Ausbildungsbereich. Jahr für Jahr wächst die sogenannte MINT-Lücke zwischen dem Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften und dem verfügbaren Angebot. Zudem beklagen viele Unternehmen die sinkende Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber. Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen wird es immer wichtiger, von der jungen Generation als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden.
Traditionelle Methoden reichen oft nicht aus, um den steigenden Bedarf an qualifizierten Fachkräften zu decken. Am 16. Mai 2024 organisierte ProduktionNRW bei Gebr. Becker GmbH einen Erfahrungsaustausch, um neue Wege in der Nachwuchsgewinnung zu identifizieren.
Wie tickt die Jugend, welche Maßnahmen sind empfehlenswert?
Stefan Grötzschel, Referent in der VDMA Bildungsabteilung betonte, dass der Arbeitskräftemangel eine der Top-3-Herausforderungen der Mitglieder darstellt. Neben dem Renteneinstieg der geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten Jahren sinkt auch die Zahl der Studierenden und Auszubildenden.
Um bei der jungen Generation als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, hat der VDMA zahlreiche Jugendstudien analysiert und selbst durchgeführt. Es stellte sich heraus, dass diese Generation beispielsweise durch die Werte Orientierung, Sicherheit und Selbstbestimmung geprägt ist. Zudem zeichnet sich ab, dass Schülerinnen und Schüler oft bei der Berufs- und Studienwahl überfordert sind. Deshalb wählen sie überwiegend Berufe und Studiengänge, die sie aus ihrem näheren Umfeld kennen.
Junge Menschen wünschen sich, dass Unternehmen bei der Berufsorientierung unterstützen. Daraus ergeben sich verschiedene Maßnahmen für die Nachwuchswerbung, wie die Unterstützung bei der Berufsinformation und das Angebot von Praktika, die sich als bestes Rekrutierungstool erwiesen haben.
Praxisbeispiel: Persönlichkeitsentwicklung bei Gebr. Becker GmbH
Marco Hausmann, Head of People & Organizational Development und Ausbildungsleiter bei Gebr. Becker GmbH, stellte den neuen HR-Ansatz des Unternehmens vor, der den gesamten beruflichen Werdegang der Mitarbeitenden vom Berufseinstieg bis zum altersbedingten Ausscheiden umfasst.
Dabei liegt ein besonderer Fokus auf der Persönlichkeitsentwicklung, auch im Bereich der Ausbildung. Berufseinsteigende nehmen regelmäßig an Workshops zu Selbstreflexion, Kommunikationsfähigkeiten, Zeitmanagement und Kreativität teil. Nach dem Berufseinstieg folgt ein Entwicklungsprogramm, das sich auf die Talentidentifikation und -bindung, Talententwicklung und Nachfolgeplanung konzentriert.
In der anschließenden Diskussion wurde betont, dass Gebr. Becker GmbH in Wuppertal vielen Wettbewerbern gegenübersteht – dies stellt im Kontext des Fachkräftemangels eine zusätzliche Herausforderung dar. Um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, investiert das Unternehmen daher viel in die Personalentwicklung.
NEST-BildungsBar – Junge Menschen für einen Ausbildungsberuf begeistern
Mike Stoeck und Patrick Nekola-Ossé, Gründer der NEST-BildungsBar, stellten ihren Ansatz vor, um der Berufsausbildung wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken. In Wuppertal haben die beiden Gründer eine Bar zur Berufsorientierung und Bewerbungstraining eröffnet. In lockerer Atmosphäre können sich Jugendliche über verschiedene Ausbildungsberufe und regionale Unternehmen informieren. Die BildungsBar unterstützt zudem bei Bewerbungsunterlagen, der Planung der beruflichen Zukunft und vernetzt Bewerbende mit Unternehmen.
Nach den Erfahrungen der NEST-BildungsBar haben junge Menschen vor allem Schwierigkeiten beim Telefonieren und dem ersten Vorstellungsgespräch. Daher ist es empfehlenswert, Bewerbenden schnell Rückmeldung zu geben und einfache, transparente Bewerbungsverfahren anzubieten. Ein erstes Kennenlernen per Videokonferenz kann die Hemmschwelle senken. Ausbildungsbotschafterinnen und -schafter helfen dabei, über die Ausbildungsberufe zu informieren und direkten Kontakt zu potenziellen Bewerbenden zu schaffen.
Erfahrungsaustausch zu neue Wegen der Nachwuchswerbung
Im abschließenden Erfahrungsaustausch wurden die Erwartungshaltungen von Unternehmen und Bewerbenden gegenübergestellt. Die Gruppen arbeiteten heraus, welche Erwartungen beide Seiten an Karriereseiten, Werbung und Bewerbungsprozesse haben. Dabei griff die Übung viele Aspekte der vorherigen Vorträge auf, wie die Notwendigkeit einer einfachen und übersichtlichen Gestaltung der Karriereseite aus Sicht der jungen Generation. Deutlich wurde, dass es für Unternehmen einfacher ist, sich an den Bedürfnissen der jungen Generation zu orientieren.
Veranstalter
Die Veranstaltung wurde von ProduktionNRW angeboten. ProduktionNRW ist das Cluster des Maschinenbaus und der Produktionstechnik in Nordrhein-Westfalen und wird vom VDMA NRW durchgeführt. ProduktionNRW versteht sich als Plattform, um Unternehmen, Institutionen und Netzwerke untereinander und entlang der Wertschöpfungskette zu vernetzen, zu informieren und zu vermarkten. Wesentliche Teile der Leistungen, die ProduktionNRW erbringt, werden aus Mitteln des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.