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Ansätze der klimaneutralen Produktion im Maschinen- und Anlagenbau

Der Klimawandel und seine Auswirkungen sind gegenwärtig ein umfassend diskutiertes Thema. Diverse Interessengruppen, darunter Kunden, Mitarbeitende, Investoren, politische Entscheidungsträger und andere Stakeholder sind zunehmend sensibilisiert. Infolgedessen ist es für Unternehmen auch aus dem Maschinen- und Anlagenbau entscheidend, einen glaubwürdigen Beitrag durch effektives Klimamanagement zu leisten und den eigenen CO2-Fußabdruck nachhaltig zu verringern. Mit der klimaneutralen Produktion hat die Industrie einen solchen Ansatz, um eine nachhaltige Zukunft für Mensch und Umwelt zu fördern.

Am 22. November 2023 organisierte ProduktionNRW einen Erfahrungsaustausch für den nordrhein-westfälischen Maschinen- und Anlagenbau bei der igus GmbH in Köln. Ziel war es, die Umsetzungsmöglichkeiten für eine klimaneutrale Produktion zu diskutieren. Denn Unternehmen verfügen über verschiedene Ansatzpunkte, um ihre Bemühungen in diesem Bereich zu intensivieren und zu vertiefen.

Klimaneutrale Produktion in der Industrie

Anna Feldman, Projektleiterin für klimaneutrale Produktion beim VDMA, betonte zunächst, dass insbesondere die EU mit dem New Green Deal eine neue Industriepolitik einführt, um Klima- und Umweltziele zu erreichen. Anhand einer VDMA-Umfrage wurde auch verdeutlicht, in welchem Ausmaß der Klimaschutz in den Mitgliedsunternehmen im Vergleich zu 2019 bereits umgesetzt wurde. Die Anzahl der Unternehmen, die sich Klimaziele gesetzt haben, hat sich beispielsweise verdreifacht. Andererseits haben viele Unternehmen noch keinen klaren Dekarbonisierungspfad für sich definiert.

Wenn sich Unternehmen mit dem Thema Klimaneutralität befassen, ist die Bilanzierung der eigenen Treibhausgasemissionen ein zentraler Aspekt. Gemäß dem Greenhouse Gas Protocol sind dabei die Emissionen nach den Scopes 1, 2 und 3 zu berechnen. Im Maschinen- und Anlagenbau machen jedoch die Scope-3-Emissionen im vor- und nachgelagerten Bereich den Großteil aus und sind schwer zu ermitteln.

Praxisbericht – Nachhaltigkeit in der Produktion

Dennis Berninger, Leiter der Fabrik für Gleitlager & Lineartechnik, und Felix Hülder, Lean Engineer Green Production, präsentierten den Nachhaltigkeitsansatz von igus. Demnach bezeichnet Nachhaltigkeit die Fähigkeit, Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.

Dabei ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekten von Bedeutung:

  • Im ökologischen Bereich werden Schritte unternommen, um den CO2-Fußabdruck zu reduzieren, etwa durch effiziente Energienutzung oder die Verringerung des Gasverbrauchs. Beispielsweise hat das Unternehmen ein selbst entwickeltes Konzept im Einsatz, um die Gasheizung zu ersetzen. Dieses MHRS-Konzept (Machine Heat Recovery System) nutzt die Maschinenabwärme und kann auch von anderen Industrieunternehmen genutzt werden. Die igus® GmbH hat zudem eine Roadmap zur Klimaneutralität entwickelt und strebt bis 2025 Klimaneutralität in Gebäuden und Fabriken an – bis 2030 soll vollständige Klimaneutralität in allen Scopes erreicht werden.
  • Im wirtschaftlichen Bereich erfolgt die Modernisierung des Maschinenparks und der Trocknungsanlagen sowie das Recycling von Granulat. Mit der im Frühjahr 2022 gegründeten Recyclingplattform „chainge“ stellt das Unternehmen einen digitalen Marktplatz für Unternehmen zur Verfügung, der auch industrielle Kunststoffe in eine Kreislaufwirtschaft überführen soll.
  • Im sozialen Bereich werden bei igus diverse Maßnahmen ergriffen, darunter Sportprogramme für Mitarbeiter, kostenfreie Mitarbeiterverpflegung oder gemeinschaftliche Mitarbeiterevents.

Für die zukünftige Umsetzung der Klimaneutralität wird vor allem die Berechnung der Scope-3-Emissionen in den kommenden Jahren eine Rolle spielen und herausfordernd sein. Insbesondere die Komplexität und der damit verbundene Zeitaufwand steigern die Berechnung.

Diskussion und Erfahrungsaustausch

Während der zwischenzeitlichen Diskussionen wurden verschiedene Aspekte beleuchtet, darunter die Herausforderungen im Zusammenhang mit Scope 3 und dem Risiko einer doppelten Berechnung.

Um präzise Zahlen in diesem Bereich zu erlangen, wurde das Risiko diskutiert, Emissionen über Scope 3 zu berücksichtigen, die möglicherweise auch von Akteuren in der Wertschöpfungskette erfasst werden. Aufgrund einer möglichen doppelten Erfassung (obwohl die Emissionen nur einmal entstehen) könnte das gesamte Berechnungsmodell in Frage gestellt werden. Als potenzielle Lösung wurde die Option einer externen Beratung in Erwägung gezogen.

Gleichzeitig wurde kritisch hinterfragt, wie in Zukunft mit Unternehmen umgegangen wird, die keine oder nur minimale Fortschritte in Richtung Klimaneutralität erzielen, da erfolgreiche Maßnahmen bereits umgesetzt wurden.

Werksrundgang zur klimaneutralen Produktion

Zum Abschluss leitete Tobias Vogel, Geschäftsführer für Gleitlager & Lineartechnik bei der igus, die Teilnehmenden durch die eigene Produktion anhand eines exklusiven Firmenrundgangs. Hierbei wurden unter anderem die Schwerpunkte auf die Umsetzung der klimaneutralen Produktion durch neue Maschinen sowie der neun Heizungsanlage gelegt.

Weitere Informationen

•    VDMA-Praxisleitfaden „Klimaneutrale Produktion – Handlungsempfehlungen für den Maschinen- und Anlagenbau“
•    VDMA-Bewertungstool der Klimakompetenz von Unternehmen: Neues Reifegradmodell
•    PCF-Starter zur Zeit- und kosteneffizienten Berechnung des Product Carbon Footprints

Veranstalter

Die Veranstaltung wurde von ProduktionNRW angeboten. ProduktionNRW ist das Cluster des Maschinenbaus und der Produktionstechnik in Nordrhein-Westfalen und wird vom VDMA NRW durchgeführt. ProduktionNRW versteht sich als Plattform, um Unternehmen, Institutionen und Netzwerke untereinander und entlang der Wertschöpfungskette zu vernetzen, zu informieren und zu vermarkten. Wesentliche Teile der Leistungen, die ProduktionNRW erbringt, werden aus Mitteln des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.