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Digitaler Produktpass für mehr Nachhaltigkeit

Die EU-Mitgliedstaaten haben sich das Ziel gesetzt, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen – der sogenannte „European Green Deal“. Ein Bestandteil dieses Deals ist die Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte und die Einführung eines digitalen Produktpasses (DPP). Dadurch ist das Thema um Transparenz und Rückverfolgbarkeit von Produkten sowie Materialien auf europäischer Ebene präsent. Auch wenn der Gesetzgebungsprozess hierzu noch nicht abgeschlossen ist, wird der Maschinen- und Anlagenbau nach dem jetzigen Vorschlag sowohl kurzfristig indirekt betroffen sein und wird mittelfristig direkte Berührungspunkte haben.

Am 23. Februar 2023 hat ProduktionNRW für den nordrhein-westfälischen Maschinen- und Anlagenbau eine virtuelle Informationsveranstaltung organisiert, um über die kommenden nachhaltigen Produktinitiativen rund um den digitalen Produktpass zu informieren und exklusive Einblicke zum VDMA-Leitfaden „Zirkuläre Geschäftsmodelle“ zu präsentieren.

Neue Produktanforderungen und digitaler Produktpass

Frederike Krebs, Referentin aus dem VDMA European Office, ging zunächst auf die Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (ESPR) ein. Die aktuelle Richtlinie gilt als Hauptinstrument für EU-Kreislaufprodukte und beinhaltet bisher schwerpunktmäßig energieverbrauchsrelevante Endprodukte wie Waschmaschinen und Kühlschränke oder auch Pumpen und Elektromotoren aus dem B2B-Bereich. Zukünftig sollen unter der neuen Verordnung alle Produkte energieverbrauchsrelevante als auch nicht- energieverbrauchsrelevante Produkte reguliert werden. Dabei sollen Produkte während des gesamten Lebenszyklus mit dem Ziel beurteilt werden, beispielsweise eine bessere Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit und/oder Reparierbarkeit zu erzielen.

Um dieses Ziel zu erreichen, wird zudem der digitale Produktpass (DPP) eingeführt, damit eine strukturierte Sammlung von produktbezogenen Daten ermöglicht wird. Diese Daten sollen dann über einen Datenträger, beispielsweise einen QR-Code, einsehbar sein – Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind hierdurch nicht einsehbar. Für den Maschinen- und Anlagenbau ergibt sich dadurch die Chance, mehr Transparenz über die eigenen Produkte zu erhalten: Beispielsweise kann dann nachvollzogen werden, wo sich ein Produkt am Ende des Lebenszyklus befindet oder welche Komponenten besonders anfällig für Verschleiß sind. Laut EU sollen die ersten Produkte unter der neuen Ökodesign-Verordnung und mit einem DPP für 2026/27 reguliert werden.

In der anschließenden Diskussion wurde vor allem die Betroffenheit des Maschinen- und Anlagenbaus diskutiert. Dabei wurde betont, dass momentan vor allem Endprodukte betrachtet werden. Über die Lieferkette kann aber eine indirekte Betroffenheit entstehen, wenn beispielsweise Informationen zum CO2-Fußabdruck angefragt werden. Auch wenn Zwischenprodukte langfristig auch in den DPP einbezogen werden sollen, sind hier noch Fragen zu möglichen Doppelregulierung (etwa durch das Lieferkettengesetz) ungeklärt. Dennoch ist zu empfehlen, dass sich der Maschinen- und Anlagenbau schon zeitnah mit dem Thema beschäftigen sollte.  

Leitfaden zu zirkulären Geschäftsmodellen

Dr. Holger Berg, stellvertretender Abteilungsleiter und Co-Leiter des Forschungsbereichs Digitale Transformation beim Wuppertal Institut, präsentierte anschließend erste Ansätze des VDMA-Leitfadens zu zirkulären Geschäftsmodellen – der in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut und Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau erarbeitet wird. Mit dem Leitfaden soll der Einstieg insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen aus dem produzierenden Bereich in die Kreislaufwirtschaft ermöglicht werden. Bezogen auf die einzelnen Aspekte der Circular Economy, werden jeweils unternehmerische Praxisbeispiele aufgezeigt, um die Umsetzung und Nutzen zu verdeutlichen.

In der abschließenden Diskussionsrunde wurde vor allem hinterfragt, ob durch die zusätzlichen Regulierungsmaßnahmen, etwa durch den DPP, der Wirtschaftsstandort Europa gefährdet wird. Durch zusätzliche, bürokratische Anforderungen wird die Produktion teurer und demnach weniger wettbewerbsfähig. Dem wurde entgegnet, dass weltweit weitere Regulierungsmaßnahmen in diesem Bereich angedacht sind und starten werden, wie beispielsweise in Japan oder China. Der vermutete Wettbewerbsnachteil ist demnach nicht umfassend. Es deutet sich vielmehr an, dass europäische, produzierende Unternehmen durch eine frühzeitige, nachhaltige Ausrichtung des Geschäftsmodell auch Wettbewerbsvorteile erzielen können.

Weitere Informationen
Veranstalter

Die Veranstaltung wurde von ProduktionNRW angeboten. ProduktionNRW ist das Cluster des Maschinenbaus und der Produktionstechnik in Nordrhein-Westfalen und wird vom VDMA NRW durchgeführt. ProduktionNRW versteht sich als Plattform, um Unternehmen, Institutionen und Netzwerke untereinander und entlang der Wertschöpfungskette zu vernetzen, zu informieren und zu vermarkten. Wesentliche Teile der Leistungen, die ProduktionNRW erbringt, werden aus Mitteln des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.