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QM-Corner: Produkthaftung im Wandel

Am 18. November 2024 wurde die neue EU-Produkthaftungsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2024/2853) im Amtsblatt veröffentlicht. Sie tritt zwanzig Tage nach Veröffentlichung in Kraft und muss bis zum 9. Dezember 2026 in nationales Recht umgesetzt werden – in Deutschland durch ein neues Produkthaftungsgesetz. Damit wird das seit 1985 geltende europäische Produkthaftungsrecht grundlegend modernisiert und an das digitale Zeitalter angepasst.

Für das Qualitätsmanagement bedeutet dies: Prozesse, Prüfstrategien und Dokumentationen müssen so gestaltet werden, dass sie den erweiterten Anforderungen standhalten – von der Produktentwicklung über die Lieferkette bis zum After-Sales-Bereich. Unternehmen, die frühzeitig reagieren, können Haftungsrisiken reduzieren und gleichzeitig Vertrauen bei Kunden und Behörden stärken. Um praxisnahe Impulse zu diesen Themen zu geben, veranstaltete ProduktionNRW am 25. September 2025 eine digitale Ausgabe der QM-Corner.

Das neue europäische und nationale Produkthaftungsrecht

Im Rahmen der Veranstaltung stellte Dr. Christian Hess, Rechtsanwalt bei VDMA Recht, die zentralen Änderungen im europäischen und deutschen Produkthaftungsrecht vor. Dabei erläuterte er auch den aktuellen Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 11.9.2025 zur Modernisierung des deutschen Produkthaftungsrechts. 
Die Neuerungen sind weitreichend: Der Produktbegriff umfasst künftig auch Software, KI-Systeme und digitale Konstruktionsunterlagen. Die Kriterien für die Fehlerhaftigkeit werden erweitert, insbesondere um Aspekte wie Cybersicherheit, Updates und Fähigkeiten zum (Weiter-)Lernen. Auch der Schadensbegriff wird ausgeweitet: Neben Körper- und Sachschäden sind nun auch psychische Beeinträchtigungen sowie Datenverluste ersatzfähig. Zudem entfallen der bisherige Selbstbehalt bei Sachschäden und die Haftungshöchstgrenze für Personenschäden.

Deutlich vergrößert wird im momentanen Referentenentwurf auch der Kreis der Haftenden. Neben Herstellern und Importeuren können künftig auch Bevollmächtigte, Fulfilment-Dienstleister, Online-Plattformen und Modifizierer in Anspruch genommen werden. Hinzu kommen neue Beweisregeln: Unternehmen müssen relevante Unterlagen offenlegen, und es greifen umfassende gesetzliche Vermutungen zugunsten der Geschädigten.
Für Unternehmen ergeben sich daraus erhebliche Compliance-Anforderungen. Die Verantwortung endet nicht mehr mit dem Inverkehrbringen, sondern bleibt so lange bestehen, wie der Hersteller noch die Kontrolle über das Produkt hat (beispielsweise über Updates). Notwendig sind daher eine verstärkte Produktbeobachtung, angepasste Dokumentationsrichtlinien, der Schutz von Geschäftsgeheimnissen sowie die Prüfung des Versicherungsschutzes.

Diskussion und Austausch

​​​​​​​In der anschließenden Diskussion standen vor allem praktische Fragen im Mittelpunkt. So wurde unter anderem nach den neuen Umsetzungspflichten gefragt, insbesondere ob und in welchem Umfang die erweiterten Haftungsvorgaben auch für bereits im Markt befindliche Produkte gelten. Ebenso wurde die Haftungsfrage bei Folgeschäden intensiv erörtert, da hier noch Unsicherheiten in der Abgrenzung bestehen. Schließlich wurde diskutiert, wie sich die neuen Regelungen im Verhältnis zwischen B2B- und B2C-Geschäften auswirken und ob Unternehmen künftig differenziertere Strategien für unterschiedliche Kundengruppen entwickeln müssen. Der Austausch zeigte, dass viele Details noch konkretisiert werden müssen, die Themen jedoch bereits heute hohe Relevanz für die betriebliche Praxis haben.

Weitere Informationen

• Die EU-Richtlinie zur Produkthaftung finden Sie hier.
• Den deutschen Referentenentwurf zur Modernisierung des Produkthaftungsrechts finden Sie hier.
• Weiterführende Literatur zu dem Thema finden Sie hier.
• Weiterbildungsmaßnahmen über die VDMA Academy finden Sie hier.

Veranstalter

Die Veranstaltung wurde von ProduktionNRW angeboten. ProduktionNRW ist das Cluster des Maschinenbaus und der Produktionstechnik in Nordrhein-Westfalen und wird vom VDMA NRW durchgeführt. ProduktionNRW versteht sich als Plattform, um Unternehmen, Institutionen und Netzwerke untereinander und entlang der Wertschöpfungskette zu vernetzen, zu informieren und zu vermarkten. Wesentliche Teile der Leistungen, die ProduktionNRW erbringt, werden aus Mitteln des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.